KETAAKETI aus philosophischer Perspektive

„Habe Mut!“

Das Menschenbild von KETAAKETI aus

philosophischer Perspektive

Wissenschaftliche Betrachtung des

KETAAKETI Modells von:


Prof. Dr. Dagmar Borchers,

Angewandte Philosophie, Universität Bremen

(Januar 2024)

Habe Mut!


Das Menschenbild von KETAAKETI aus

philosophischer Perspektive

Wissenschaftliche Betrachtung des KETAAKETI Modells von:


Prof. Dr. Dagmar Borchers,

Angewandte Philosophie, Universität Bremen

(Januar 2024)

„Habe Mut!“


Das Menschenbild von KETAAKETI aus philosophischer Perspektive


Wissenschaftliche Betrachtung des KETAAKETI Modells von:

Prof. Dr. Dagmar Borchers,

Angewandte Philosophie, Universität Bremen

(Januar 2024)

1 Ein innovatives Denk- und Handlungsmodell und seine Grundidee

 

Der internationalen Arbeit von Ketaaketi liegt ein Modell zugrunde, das Menschen dazu bringt, ihre eigenen Ideen und Projekte zu verfolgen – gemeinsam mit anderen, verantwortlich und kompetent. Ketaaketi arbeitet mit NGOs in verschiedenen Ländern zusammen, die als lokale Projektpartner eine wichtige Funktion übernehmen. Sie sind die Kontaktstelle vor Ort und für die Menschen, in ihren lokalen Projekten. Sie arbeiten frei und selbstbestimmt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den nationalen NGOs sind in den jeweiligen Ländern geboren, gut ausgebildet und sozial engagiert. Sie haben eine klare Vorstellung davon, was ihre Arbeit leisten kann und leisten soll und welche Perspektiven sie für die beteiligten Menschen eröffnen soll. Sie sind die Partner vor Ort, die entscheiden, wer Förderung erhält und welche Projekte Ketaaketi unterstützt. Das bedeutet, dass bereits auf dieser Ebene die klassische Geber-Nehmer- Beziehung zwischen den Initiatoren entwicklungspolitischer Maßnahmen ausgehebelt wird zugunsten der Möglichkeit autonomer Entwicklungen in den verschiedenen Ländern und der gezielten Förderung derjenigen Vorstellungen, Prioritäten und Ideen, die die Menschen vor Ort für sinnvoll und zielführend halten. Das betrifft zunächst die organisatorisch-administrative Ebene. Aber auch eine zweite Ebene der Menschen, die Ideen dazu entwickeln, was sie machen könnten, um ganz konkrete Probleme zu lösen oder ihre Situation zu verbessern und ihr soziales Umfeld weiterzuentwickeln, verfolgt diesen Kerngedanken konsequent: Entwickle eine Idee, die zu Deinem Leben und Deinen Kompetenzen und Möglichkeiten passt! Mach mit anderen zusammen einen Plan. Entwickle etwas Neues, das gut für Dich und die Menschen in Deinem Umfeld – Deine Familie, Deine Kinder, Dein Dorf – sein wird. Was kannst Du, was könnt Ihr tun? Was wollt Ihr tun? Was haltet Ihr für sinnvoll und vielversprechend? Gibt es Ideen? Ketaaketi kommt nicht mit Projektideen in ein Dorf oder ein Land. Die Organisation maßt sich nicht an zu wissen, was gut ist. Sie macht keine Vorschläge, sie legt nichts nahe. Stattdessen erwartet sie Initiative, Ideen, Kreativität. Sie hört zu. Das genau scheint ungewöhnlich und provokativ zu sein: Wir sagen gar nichts – ihr sagt etwas. Wir wollen nichts – was wollt ihr? Darin liegt eine radikale Kehrtwende in der entwicklungspolitischen Arbeit, die zunächst offensichtlich auch immer wieder brüskierend oder irritierend wirkt, dann aber in schöner Regelmäßigkeit unglaublich gut zu funktionieren scheint: Habe Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen. Lass Dir nicht von anderen erzählen, was gut für Dich ist, was Du denken oder machen sollst. Mach selbst. Du bestimmst selbst. Wenn Du nichts machst, wird auch nichts passieren.

 

Diese Einstellung entspricht ziemlich exakt der Aufforderung, die Immanuel Kant 1784 in seinem berühmten Aufsatz „Was ist Aufklärung?“ formuliert hat: Sapere aude. Es sei eigentlich immer Bequemlichkeit, Feigheit oder schlechte Gewohnheit, dass sich Menschen von anderen das Denken abnehmen lassen. Aufklärung hingegen sei der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Kant fordert den Menschen auf, eigenständig zu denken und für sich selbst zu sprechen. Das Menschenbild von Ketaaketi ist also im Kern ein humanistisches Menschenbild, das den Idealen der philosophischen Aufklärung sehr nahe ist. „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“, heißt es in Artikel 1 der Charta der Menschenrechte, „sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“ Diese Ideen und Konzepte, die hier erwähnt werden, sind ebenfalls wesentlich in der Philosophie der Aufklärung entwickelt und weitergedacht worden: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Menschenwürde und moralische Rechte – das sind die zentralen Komponenten der Arbeit, aber auch des Menschenbildes von Ketaaketi. Die einzelnen Aspekte dieser Grundausrichtung sollen jetzt etwas genauer dargestellt werden.


2 Autonomie & Selbstbestimmung

 

Bevormundung, und sei sie noch so gut gemeint, ist fast immer eine mehr oder weniger subtile Form der Herabsetzung. Ihr wohnt der Gedanke inne, dass man selbst es besser weiß und diejenigen, um die es eigentlich geht, weniger wissen, schlechter beurteilen oder planen können. ‚Wir machen das für Euch‘ – das ist immer noch eine wesentliche Grundeinstellung entwicklungspolitischer Initiativen. Ketaaketi macht erst einmal gar nichts. Stattdessen entwickeln die Menschen vor Ort eine Idee, einen Plan, eine Strategie und präsentieren sie dann als eine Initiative, in die es sich zu investieren lohnt. Es geht nur darum, diesen Ideen jenen materiellen bzw. finanziellen ‚Kick‘ zu geben, die sie brauchen, um ins Rollen zu geraten. Das klingt vielleicht gar nicht so spektakulär, macht aber einen großen Unterschied. Erstens, weil es nicht die Geldgeber aus den reichen Ländern sind, die hier Entscheidungen treffen – weder über die zu realisierenden Projekte noch über finanzielle Zuwendungen, sondern die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der NGOs vor Ort. Ihrer Kompetenz obliegt die Entscheidung über die Unterstützung. Zweitens, weil Menschen hier in ihrer Kreativität, ihrer Phantasie, ihrem Wissen und ihren Kompetenzen absolut ernst genommen werden. Sie sind frei und gleich und entscheiden selbst, was sie wollen und wie sie es wollen. Niemand hat ihnen reinzureden oder Vorschriften zu machen. Sie bekommen auch kein Geschenk, sondern ein Darlehen, das in einem bestimmten Zeitraum zurückzuzahlen ist. Damit geht also eine Verpflichtung einher. Es entsteht eine gewisse Drucksituation, wirtschaftlich mit der eigenen Idee erfolgreich zu sein – Freiheit, gepaart mit Verantwortung. Und dies nicht mit dem Ziel, an den Geber ‚zurückzuzahlen‘, sondern selbst zum Geber zu werden und selbst eine Unterstützung geben zu können. Es geht also nicht nur darum, Verantwortung für das eigene Tun zu übernehmen, das eigene Projekt, sondern zugleich auch darum, Verantwortung für die weitere Entwicklung des eigenen Umfeldes zu übernehmen; Teil einer Kette zu sein, einer großen Bewegung, die Menschen verbindet. Es handelt sich also um Selbstbestimmung auf vielen Ebenen gleichzeitig, eine Selbstbestimmung, die einher geht mit Respekt vor den Menschen und der Anerkennung ihrer Freiheit, ihrer Würde und ihrer Potentiale. Dabei ist eben auch zu beachten, dass es der ärmste Bevölkerungsanteil ist, dem die Aufmerksamkeit von Ketaaketi gilt – sie sind es, die hier zu kompetenten, kreativen Entwicklerinnen und Entwicklern ihres eigenen sozialen Umfeldes werden und damit nicht nur eine materielle, sondern vor allem auch eine soziale und gesellschaftliche Wertschätzung erfahren.     

 

3 Familie, Gemeinschaft, Netzwerke & Solidarität

 

Die Menschen agieren mit ihren Projekten nicht allein, sondern immer mit anderen zusammen – ihrer Familie, ihrem Dorf, ihrer unmittelbaren Gemeinschaft. Die sich ergebenden Einkünfte sollen den Familien und vor allem den Kindern zugutekommen, die so die Möglichkeit erhalten, eine Schule zu besuchen. Damit wird der einzelne immer in den Kontext seiner Gemeinschaft gestellt – nicht nur in seine unmittelbare Nachbarschaft, sondern durch die Weitergabe des Darlehens auch in eine erweiterte lokale oder gar nationale. Die bereits gegebene Verbundenheit der Menschen wird damit gestärkt und strukturell genutzt. Es geht darum, kollektives Denken zu unterstützen und zur Grundlage des Erfolgs zu machen. Dadurch entsteht eine integrative Wirkung, die Menschen zugleich autonom macht und als Teil der Gemeinschaft stärkt. ‚Wir arbeiten für uns und andere, wir unterstützen die nächsten, wir haben uns verpflichtet, erfolgreich zu sein, damit andere erfolgreich sein können‘ – so lässt sich die Motivlage beschreiben, die durch die Arbeit von Ketaaketi systematisch generiert wird. Es ist ein Schneeballsystem der Ermutigung und der Übernahme von Verantwortung, gemeinsam mit anderen. ‚Erfolg geht nur gemeinsam‘. Diese Erfahrung ergänzt die individuelle Erfahrung, seine eigenen Kompetenzen und Fähigkeiten einbringen zu können und individuell etwas gestalten und mitprägen zu können. Das ist insbesondere für die Frauen eine wichtige Unterstützung im Sinne eines Empowerments. Sie, die üblicherweise zwar den Großteil der Arbeit übernehmen, aber gesellschaftlich oft marginalisiert werden, rücken hier ins Zentrum und setzen sich in ökonomische Schlüsselpositionen. Männer müssen sich jetzt um Frauen bemühen, sie respektieren und ernsthaft mit ihnen kooperieren. Diese Form des Empowerments von Frauen stärkt sie in ihrer Würde und in dem Respekt, den sie verdienen. 

 

4 Anerkennung, Identität & Kultur

 

In den Diskussionen der aktuellen Politischen Philosophie geht es nicht nur um Fragen der Gleichheit und Gerechtigkeit. Gerade auch Fragen nach der Bedeutung von individuellen und kollektiven Identitäten und dem adäquaten Respekt vor kultureller Identität stehen derzeit auf der philosophischen Agenda. Die Sensibilität hat sich in Bezug auf diese Themen nicht nur innerhalb der akademischen Debatten, sondern auch in der breiten Öffentlichkeit geschärft. Alle Menschen, so die generelle normative Forderung, sollen so geschätzt und respektiert werden, wie sie sich ihrer kulturellen und sexuellen Identität präsentieren, ohne herabgesetzt oder marginalisiert zu werden. De facto scheinen wir von diesem Ideal wohl fast überall auf der Welt noch weit entfernt zu sein, aber der Anspruch wird in vielen Gesellschaften formuliert und auch aktiv umgesetzt. Ketaaketi unterstützt diese Ideen durch die Art, wie diese Organisation arbeitet. Die Identität, die Kultur und die Traditionen der Menschen vor Ort werden geschätzt. Sie sind die Basis für die konkreten Ideen und Projekte, die die Akteure entwickeln. Die Projekte selbst führen die Traditionen fort, modifizieren sie vielleicht moderat und streben so zugleich eine Verbesserung der sozio-kulturellen Gegebenheiten an. Diese Gleichzeitigkeit eines Respekts dessen, was kulturell gegeben ist und dessen subtiler Transformation durch die Ideen der Akteure ist meiner Ansicht nach ein besonders wichtiges Merkmal der Arbeit von Ketaaketi. Die Welt zu einem besseren Ort zu machen ohne jemanden zu brüskieren, zu ignorieren in seiner Identität oder sozialen Stellung, sondern genau dieses zu stärken und positiv zu nutzen, macht den respektvollen und unterstützenden Aspekt des grundlegenden Ketaaketi-Prinzips aus. Für die Menschen vor Ort ist das von eminenter Relevanz. Niemand setzt ihnen etwas vor die Nase oder behandelt sie von oben herab. Sie sind die Akteure, sie bestimmen, was zu ihnen passt und wie es gehen könnte. Gerade diese Art des Respekts vor der Identität und der Kultur der Menschen trägt zur Wahrung der Würde bei und ist Ausdruck eines fundamentalen Gleichheitsverständnisses, vor dessen Hintergrund die Initiatoren der Organisation sich weigern, inhaltliche Vorgaben zu machen und dirigistisch zu agieren.

 

5 Fazit: die Implementierung philosophischer Werte

 

Mut machen, die Würde achten, die kulturelle und soziale Ordnung respektieren – das sind die Grundzüge der Arbeit von Ketaaketi, so wie sie von Anneli-Sofia Räcker konzipiert und erdacht worden ist. Diese Grundzüge sind ganz offensichtlich nicht nur im Einklang mit den Menschenrechten und zentralen normativen Ideen und Konzepten der Philosophie der Aufklärung, sondern setzen diese auch durch ein sehr genau durchdachtes entwicklungspolitisches Konzept um. Es ist auch für die theoretisch-akademische Debatte spannend zu beobachten, wie Ketaaketi arbeitet, welche Erfolge, aber auch, welche Probleme und Schwierigkeiten es in und für diesen entwicklungspolitischen Ansatz gibt. Man kann vielleicht sagen – ohne das dies das Anliegen von Ketaaketi ist – dass diese Organisation ein Stück weit ‚Angewandte Philosophie‘ im oben ausgeführten Sinne betreibt.


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